Was ist Schlaraffia!?

(Aus "Realitès Allemandes", No. 14.Fevrier 1950, herausgegeben vom Haut Commisariat de la Republique Francaise en Allemagne)

Die Schlaraffia ist eine der malerischsten und (lehrreichsten) bezeichnendsten Einrichtungen des heutigen Deutschland:
Es ist eine zwar nicht geheime, aber zum mindesten sehr abgeschlossene Vereinigung, die sich bemüht, am Rande der rauhen Alltagswirklichkeit eine gesicherte Gemeinschaft zu schaffen, deren Mitglieder sich ausschließlich dem Kult der Kunst, des Humors und der Freundschaft weihen. Das Wort "Schlaraffia" selber, ein Fremdwort, das von "Schlaraffenland" abgeleitet ist, zeigt deutlich, dass es sich um eine Gesellschaft von besonderer Eigenart handelt: Und in der Tat, durch ihre Satzungen wie durch ihre Ziele nimmt die Schlaraffia einen besonderen Platz unter den unzähligen Vereinigungen ein, die man überall in Deutschland antrifft. Ihr äußeres Bild ist im übrigen ganz dazu angetan, die Neugier der Profanen zu erwecken: Die Schlaraffen (das ist der Name der Mitglieder der Schlaraffia) haben als Abzeichen eine kleine weiße Nadel, die sie in den linken Rockaufschlag stecken, sie kommen geheimnisvoll in Sälen zusammen, deren Hauptschmuck von einer ausgestopften Eule gebildet wird, der von Leuchtern eingerahmt ist, sie sind mit karnevalistischen Gewändern bekleidet, die mit wunderlichen Orden behängt sind, ihr Haupt ist mit einer Narrenhaube in bunten Farben oder mit einem mittelalterlichen Barett gekrönt, ihre Sprache ist dunkel und vollgepfropft von ungebräuchlichen Ausdrücken, ihre Gebräuche scheinen auf den ersten Blick unverständlich, und die Anreden, die sie einander geben, könnten getrost an ihrem gesunden Menschenverstand zweifeln lassen. Und doch ist es ganz und gar nicht so: Die Mitglieder der Schlaraffia sind alle wohl bekannte Männer der Wirtschaft, ehrenwerte Kaufleute, geschätzte Wissenschaftler, Künstler von Ruf, einflussreiche höhere Beamte, die in Gesellschaft oft eine sehr wichtige Rolle spielen. Was ist denn nun diese Schlaraffia mit ihren "freimaurerischen" Gebahren?

Die Schlaraffia ist im wesentlichen ein Freundschaftsbund, sie ist in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Prag von einer Gruppe von Schauspielern, Freunden der Künste und des Geistes, "geschaffen" die die Härte und die Torheit des täglichen Lebens erwogen und die sich vereinigt hatten, um einen innig verbundenen und warmherzigen Kreis zu gründen, wo jeder unter ihnen sich ungezwungen in einer wunderbaren Welt fühlen könne, in einer Welt, die lebendig und bunt wie ein Bild von Breughel, weit über den Sorgen und den Hässlichkeiten des Daseins steht.


"Die Welt ist kalt, wir wollen eng zusammenrücken zum Feuer, das uns alle wärmt!"
 

Wie die Dramen Shakespeare's stellen die Schlaraffen, die ja auch die äußeren Anzeichen der Narrheit angelegt haben, fest, dass die Absurdität in Wirklichkeit die Regel der profanen (Alltags-) Welt ist, und das die Torheit gerade bei denen herrscht, die sie Narren nennen:


Profane Welt: Ein Narrenhaus
Lasst uns Schlaraffen sein!
 

Gerade weil sie wissen, dass die von Künstlern, Dichtern und Philosophen erträumte und ersonnene humane Welt sich selten in der unhumanen Wirklichkeit verwirklicht findet, streben sie entschlossen danach, diese Fabelwelt des Schlaraffenlandes wieder zu schaffen, wo alle Menschen, die ja heute unruhig und unbefriedigt sind, sich voll gesättigt fühlen können:


Schlaraffen-Märchenland ist fort
drum wird man nicht mehr satt.
 

Um diesen Hunger nach menschlichem Ausgleich, Fülle und Glück zu stillen, haben die Schlaraffen ihre eigene Welt eingerichtet nach Regeln und Methoden, die im einzelnen genauer untersucht zu werden verdienen. Eine Vereinigung, die bestrebt ist, innerhalb ihrer Mitglieder seinen Gemeinschaftsgeist in Zeichen des Humors und der schönen Künste zu schaffen, scheint von vornherein zu einer Eintagsexistenz verurteilt. Die Gründer der Schlaraffia kannten einerseits die Unbeständigkeit der Menschen, die durch die Lockungen des materiellen Lebens in Beschlag genommen und abgelenkt werden, andrerseits die Schwäche der zarten und feinen Bindungen, die der Geist zu weben vermag; gerade deshalb haben sie gleich anfangs dafür gesorgt, ihre Einrichtungen auf solide und dauerhafte Grundlagen zu stellen. Diese Grundlagen bestehen im wesentlichen aus einem sehr genauen Ritual, das dadurch, dass es bis in die geringste Einzelheit das äußere Verhalten der Schlaraffen regelt, die Beständigkeit der Vereinigung sichert, deren Eigenart es klar und bündig ist, sich außerhalb der realen Welt in ein rein von einer Vorstellung geschaffenes Universum zu versetzen. Angesichts der Tatsache, dass die äußeren Formen das Gewebe selbst, die Substanz ist, war es unerlässlich, das die Schlaraffia sich ein strenges und unbeugsames Gesetzbuch gibt, das den (zusammenhaltenden) Beschlag der Vereinigung bildet und ihren Zusammenhalt trotz der Unbeständigkeit der Menschen und der Unsicherheit der Dinge garantiert.

Die Satzung der Schlaraffia umfasst zwei grundlegende Texte:

Den Spiegel und das Ceremonial. Der Spiegel, wie sein Name angibt, beschreibt das Bild der Organisation der schlaraffischen Welt, deren Grundgesetze oder vielmehr Grundriten im Ceremonial dargelegt werden. Offenbar beeinflusst von dem Aufbau der katholischen Kirche, haben die Schlaraffen begriffen, dass die beiden Hauptbedingungen für die Festigkeit einer geistigen Gemeinschaft, die Menschen vereint welche den Wechselfällen des Daseins unterworfen sind, einerseits die Einführung einer wohl geordneten Rangordnung (Hierarchie) ist, die jedem Glied dieser Gemeinde eine ganz bestimmte Funktion zuweist, andrerseits die Einhaltung einer unveränderlichen Liturgie, die die Körper in Zucht hält und die Geister trägt.


"Den Spiegel, der Schlaraffen Hort,
befolgt getreulich Wort für Wort!"
 

Gerade deshalb beschränken sich Spiegel und Ceremonial.

  • nach der Definition des Geistes, der die Schlaraffia beseelt, und der Ziele, die sie verfolgt,
  • die Verordnung und Beschreibung der äußeren Formen der Vereinigung, die sie bilden.

Der Spiegel gibt uns das Bild der äußeren Organisation der Kirche der Schlaraffen. An der Spitze der Hierarchie steht die Mutterkeimzelle "Allmutter Praga", von der alle späteren Kolonien ausgegangen sind die gegenwärtig sich über das ganze Deutschland, Österreich, die Schweiz und die Vereinigten Staaten von Nordamerika hinziehen oder vielmehr vor dem Verbot von 1933 hinzogen. Die örtlichen Gruppen nennen sich "Reych" (mit Y) und bestehen aus Mitgliedern (Sassen), die teils zur Kategorie der Ritter, teils als Junker oder Knappen, entsprechend ihrem Einweihungsgrad, gehören. Jedes "Reych" wird von einem Dreimännerausschuss geleitet, dem "Oberschlaraffat" heißt; er besteht, wie eine gewöhnliche Regierung, aus einem Oberschlaraffen der äußeren Angelegenheiten, einem Oberschlaraffen der inneren Angelegenheiten und einem Oberschlaraffen der Kunst. Das Oberschtaraffat hat als wesentliche Aufgabe, die strikte Innehaltung der Liturgie zu überwachen, die, wie wir sahen, die Substanz selber der Schlaraffen ist. Es wird in diesem Bestreben, durch eine bestimmte Anzahl von Würdenträgern (Kantzler, Reychsmarschall, Junkermeister) und Inhabern von Reychsämbtern (Burgvogt, Mundschenk, Fanfarenmeister usw.) mit genau festgelegten Befugnissen unterstützt.

Die Schlaraffen jedes Reyches vereinigen sich an einem feststehenden Tage, um ihren Kult zu zelebrieren. Diese Feiern (Sippungen), jede Woche einmal im Winter (Winterung), in größeren Zwischenräumen in der schönen Jahreszeit (Sommerung) werden im wesentlichen in einer humorvollen Form der Ehrung der großen Männer geweiht, die sich einen Namen auf dem Gebiet der Kunst erworben haben, vor allem Goethe (Faust), Schiller (Funke), Schubert (Erlkönig). Beethoven (Florestan). Mozart (Don Juan), und der in einer humorvollen Weise zur Geltung gebrachten Behandlung verschiedenartiger Stoffe unter Ausschluss politischer und religiöser Themen. Jeder Schlaraffe ist gehalten, Geist und guten Humor zu verbreiten, damit jeder der Sassen am Ende der Sippung bereichert und gestärkt durch die Feier, an der er soeben teilgenommen hat, ausgerüstet mit dem Auftrieb und der Freude, die er aus diesem Bad der Freundschaft geschöpft hat, siegreich in die profane Welt zurückkehren kann, die so trübe und entmutigend (hoffnungslos) ist.

Die Einzelheiten des Brauchtums, die die kultische Feier regeln, werden bis ins kleinste im Ceremonial beschrieben, von dem Anfangsgruß vor der Eule (Uhu), die den schlaraffischen Geist verkörpert, bis zur Erklärung der besonderen Liturgie der verschiedenen Zeremonien (Ritterschlag, Duell, Einführung der neuen Oberschlaraffen, Humpenweihe, Gerichtsverfahren usw.); es berührt dabei die Erklärung der besonderen Fachausdrücke, die den lustigen Jargon der Schlaraffen bilden (Burgschreck = Schwiegermutter, Lethe = Wein, Seufzerholz = Geige usw.). Bis ins kleinste sind Handlungen und Verhalten der Gläubigen so einem strengen Kodex unterworfen, der durch seine Unveränderlichkeit und seine Unbeugsamkeit dazu beiträgt, der Phantasiewelt der Schlaraffen den Charakter einer Einrichtung zu geben, die ebenso solide - vielmehr solider und in tieferem Sinn wirklich ist, als die Weit der profanen Gesellschaft.

Wie man sieht, ist die Schlaraffia ein Organismus aus zusammengesetzten Ursprüngen. Einerseits setzt sie die Tradition der alten Studentenverbindungen fort, die sich ihrerseits an der Nachahmung der Welt des Rittertums begeisterten, die sie durch ein romantisches Prisma sahen:
Die mittelalterliche Kostümierung, mit der sich die Schlaraffia schmückt, ebenso gewisse Einrichtungen wie das Duell, - übrigens rein theoretisch - und in noch viel allgemeinerer Weise ihr archasierender Wortschatz sind in dieser Hinsicht äußerst bezeichnend. Unter diesem Gesichtspunkt könnte die Schlaraffia noch mit Organisationen verglichen werden, die an bestimmten französischen Schulen bestehen, im besonderen in den "Khagnes", wo man ebenso eine gleichartige Hierarchie findet (sekh, Sittenvorsteher, offizieller Satyr, bizuths, carrés usw.), ein wohl geregeltes Ceremonial, einen eigenen Wortschatz ebenso wie die Neigung zum Geistvollen und zu den schönen Formen, die in jedem Augenblick eine tiefe Kenntnis der klassisch-humanistischen Wissenschaften verraten.

Von der katholischen Kirche - ohne jeden Gedanken von Profanation - hat die Schlaraffia nicht nur die Wichtigkeit der Hierarchie und der Gebräuche übernommen, die bewirken, dass der Geist um so freier und feiner ist, je genauer die äußeren Formen eingehalten werden, sondern auch, mutatis mutandis. den Gedanken der Unfehlbarkeit des Fungierenden während des Fungierens - der die Sippung leitende Oberschlaraffe ist unfehlbar und unantastbar (§ 50 des Spiegels) - und ebenso einige Fachausdrücke (Konzile) oder einige Anklänge (Dreieinigkeit des Geistes, der den fungierenden Oberschlaraffen erleuchtet und den er unter dem dreifachen Namen Uhu, Aha und Oho anruft).


Ich gelobe hier bei Uhu, Oho, Aha, dem Schirmer der Schlaraffia, ein treuer Obrer zu sein und zu bleiben, Scherz und Ernst mit Euch zu treiben, Humor zu schützen und zu verbreiten, das gelob ich Euch für alle Zeiten (Eidesformel des Oberschlaraffen).
 

Neben diesen äußeren Eigentümlichkeiten, die sie (die Schlaraffia) von dem Ritterorden und der katholischen Kirche entlehnt hat. muss man einige Methoden hervorheben, die direkt durch die Praxis der modernen parlamentarischen Gebräuche beeinflusst sind; sie geben der Schlaraffia einen sehr betont liberalen Charakter. Artikel 3 des Ceremonials sieht ausdrücklich vor, dass "Debatten nach parlamentarischen Brauch geführt werden und dass "jeder" Ritter das Recht hat, seine Meinung frei zu äußern. Die Aufnahme neuer Mitglieder wird bei der Wahl (Kugelung) unterworfen, und der Oberschlaraffe kann trotz der Unfehlbarkeit, mit der er ausgestattet ist, solange er die Sippung leitet, im übrigen durch die Ritter auf den außerordentlichen Versammlungen (Schlaraffiaden) zur Verantwortung gezogen werden.

Wenn man weiterhin bemerkt, dass eine beträchtliche Zahl von schlaraffischen Ausdrücken französischen Ursprungs sind (Jourfix. Crystalline, Ban - geschrieben Bangkh -, Rosenobel) und dass die Namen der verschiedenen Reyche (Moguntia = Mainz, Gladebachum Monarchorum = Mönchen-Gladbach, Herbipolis = Würzburg, Francovadia = Frankfurt/Oder, Oenipontana = Innsbruck, Gallia Helvetica = St. Gallen, Ferrostadia = Eisenstadt) mehr oder weniger genau latinisiert sind, dann scheint es, dass der Geist der Schlaraffia nichts Nordisches hat, sondern dass seine wirkliche Heimat jenes Süd- und Westdeutschland ist, wo, an Rhein und Donau entlang, seit Jahrhunderten die Synthese zwischen Germanen- und Romanentum sich im Zeichen des Christentums und des Humanismus vollzogen hat. Es ist kein Zufall, dass die Narrenhaube, die den Kopf der Schlaraffen schmückt, von Frankfurt gebracht wurde, und dass die Schlaraffia ihrem Geist und ihrem äußeren Auftreten nach den karnevalistischen Vereinigungen verwandt ist, die heute noch an den Rheinufern von Düsseldorf bis Mainz blühen. Und was ist, genau betrachtet, die Schlaraffia anderes als ein Bestreben, einen dauernden Karneval einzuführen? Die Schlaraffen haben begriffen, dass die Freiheit, wenn nicht Ausgelassenheit, die einmal im Jahr vom Rosenmontag bis zum Aschermittwoch ausbricht und aufstrahlt, das höchste Gut ist und dass das Leben einen viel humaneren Sinn erhält, wenn man die Vorurteile der profanen Gesellschaft abgelegt hat. Deshalb haben sie beschlossen, das ganze Jahr lang diese wunderbare Karnevalszeit wieder zu durchleben. Und deshalb haben sie am Rande der Wirklichkeit eine besondere Welt für sich geschaffen, bei deren Betreten man seine Person an den Nagel hängt und Lethe trinkt, um alles zu vergessen, wo man ein neues Gewand anlegt und wo man selbst mit einem neuen Namen getauft wird, einem Namen, der nicht das Ergebnis des Zufalls ist, sondern der zutiefst der wirklichen Natur, dem Charakter und dem Beruf eines jeden entspricht. Die Schlaraffennamen verdienen es, in großer Zahl angeführt zu wenden, so köstlich sind sie zusammen durch ihren psychologischen Scharfsinn und durch ihre humorvoll treffenden Anspielungen, die sie erhalten. So kommt es vor, dass ein Weinhändler, ein guter Katholik, "Bacchus der Täufer" heißt, ein Apotheker, zugleich Chemiker "Spektrol, die Giftnudel", ein sehr tüchtiger Zahnarzt "Arminius der Schmerzlose Befreier" usw.

In diesem Gedankenzusammenhang muss man auch die drollige Geburt des schlaraffischen Gottes, des Uhu, erwähnen, der bei seinem Eintritt in die Welt nichts mit dem Vogel der Weisheitsgöttin Minerva gemein hatte, sondern der ganz einfach aus einem Ausruf vergnügten Erstaunens (Aha!) entstand, der in einem Prager Theater von einigen Zuschauern spontan ausgestoßen wurde, als sie durch die imposante Hinterfront einer wohlbeleibten Schauspielerin beeindruckt wurden. Als die Zuschauer dann die vorhandene Ähnlichkeit zwischen diesem auffallenden Hinterteil und dem bauchigen Humpen entdeckten, der für ihre gemeinsamen Trankopfer diente, tauften sie diesen "Aha". Als ein zweiter Humpen für ihren jetzt erweiterten Kreis nötig wurde, nannten sie das neue Gefäß einfach "Uhu" mit der Änderung der Vokale, bis zu dem Tage, da der eine von ihnen eine ausgestopfte Eule mitbrachte (im Deutschen bedeutet der Uhu die Eule), der so eine Verkörperung des Großen Schlaraffischen Geistes wurde.

Alle diese Einzelheiten sollen nur zeigen, dass die Schlaraffen - gerade weil sie Deutsche sind, unmittelbar aus Erfahrung wissen, dass die beiden Hauptgefahren, die den Gemeinschaftsmenschen bedrohen, das Maßlose und der Ernst sind. Diese beiden Gefahren sind im übrigen untrennbar; denn die Steifheit ist immer nur ein ungeschicktes Bemühen, das Fehlen des inneren Gleichgewichtes zu überwinden oder wenigstens zu vernebeln. Im Gegensatz dazu würde in ihren Augen die Rettung in dem Kult des Humors liegen, der geschmeidig macht, und in der Liebe zu den schönen Formen, die ihren Bewunderern den Sinn für Maß und Harmonie geben. In der Tat, allein das Lachen und die Kunst können die Menschen zusammenbringen, indem sie sie freimachen, d.h. indem sie eine Gemeinsamkeit verwirklichen, wo jeder in gleicher Weise seine eigene Persönlichkeit entfalten und so, wenn man Goethe glaubt, zum höchsten Glück (Gut) gelangen kann. Deshalb kann man sich denken, dass die Schlaraffia mehr als ein Organismus wirtschaftlichen Zusammenschlusses ist, der bestimmt ist, die Karriere seiner Mitglieder zu erleichtern, oder als ein gewöhnlicher Verein, der fähig ist. schöne (charmante) Abendveranstaltungen zu organisieren. Wenn es wirklich wahr ist, dass im Gegensatz zu der totalitären Tyrannei die Demokratie sich bemüht, ein politisches Regime zu schaffen, das bis zum Maximum die Unabhängigkeit, Autonomie und Initiative jedes Bürgers garantiert, dann kann man behaupten, dass die Schlaraffia ein demokratischer Organismus im wahren Sinne des Wortes ist. In der Tat, der echte Schlaraffe weiß, dass die profane Welt, d.h. der Staat, mit seinem anspruchsvollen Einrichtungen, seinen lästigen Personen, seinem gänzlichen Mangel an Humor "das kälteste aller Ungeheuer" ist, wie Nietzsche sagte. Nur Uhu, d.h. der Geist der Schlaraffia - der der Geist schlechthin ist und der weht, wie er will ohne Rücksicht auf die soziale Schichtung (Hierarchie) - verdient Ehrfurcht und Hochachtung.

Viele Schlaraffen sind sich vielleicht nicht ganz und gar der logischen Folgen der schlaraffischen Dialektik bewusst, die zugleich eine wilde Freiheitsliebe enthält - das einzig mögliche Klima für Humor und Kunst - und auch, da das Schlaraffenland keine Grenzen hat, ein Streben, den Nationalismus zu überwinden, der immer lächerlich, oft hassenswert ist. Aber, ob sie wollen oder nicht, die Sassen des "Weltbundes Schlaraffia" werden bis zum Ende ihres Gedankens gehen und proklamieren müssen, das "Lachen Grundeigentum des Menschen ist", wie Rabelais sagte, und dass die Werke der Kunst wie die großen Männer aus dem Rahmen der Nationen heraustreten.

Wenn die offizielle Sprache der Schlaraffen einheitlich das Deutsche bleiben muss, dann mögen sie sich vorstellen, dass es mehrere Arten gibt, deutsch zu sein. Man kann deutsch auf die negative Art sein, d.h. indem man sich von den anderen Menschen absondert und sich zu der übrigen Welt in Gegensatz stellt. In diesem Falle wird die Schlaraffia mit ihren Abzweigungen in Österreich, in der Schweiz und in den Vereinigten Staaten von Amerika, ohne von den Staaten Osteuropas zu sprechen, sich kaum von der "Organisation des Deutschtums im Ausland" unterscheiden, - die die Nazis in Stuttgart geschaffen hatten und deren Hintergedanken heute jeder genau kennt. Man kann aber auch vielleicht deutsch und sogar Deutscher auf eine ganz andere Art sein, indem man seine eigenen Reichtümer anbietet und sie frei mit denen der Menschen austauscht, die eine andere Sprache sprechen oder die ein anderes Land bewohnen. Dieser gegenseitige Austausch, den Europa mehr als je nötig hat, liegt, so scheint es, wohl im Geiste der Schlaraffia:


"Die Welt ist kalt, wir wollen eng zusammenrücken zum Feuer, das uns alle wärmt!"

 

Und dadurch, dass sie den Sitz der "Allmutter Praga" in die Schweiz verlegen - d.h. in ein neutrales, frei gegen alle Horizonte offenes Land -, könnten die Schlaraffen während ihres nächsten Konzils, dessen Geist, hoffen wir es, ein Weltgeist sein wird, vor den Augen der Welt deutlich zeigen, welches der Weg ist, den sie In Zukunft einzuschlagen entschlossen sind.

Andre Soutou

(Aus "Realitès Allemandes", No. 14.Fevrier 1950, herausgegeben vom Haut Commisariat de la Republique Francaise en Allemagne.)
 



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 Reych 356. Schlaraffia® Porta Westfalica.

 Die Seite wurde aktualisiert am 12/2023